100 Jahre Freistaat Bayern

Eine Revolution – sowohl Fluch als auch Segen

Am 2.7.2018 fand für unsere 10. und 11. Jahrgangsstufe ein Vortrag anlässlich des 100-jährigen Jubiläums „Freistaat Bayern“ statt. Unter der Organisation von Frau Gadau und Herrn Joas von der Hanns-Seidel-Stiftung hielt der Politikwissenschaftler Roland Frank seinen Vortrag, in dem er uns über die Revolution der Jahre 1918/19 in Bayern und deren Auswirkungen informierte.
„Freistaat“ ist das deutsche Wort für Republik, was bedeutet, dass keine Monarchie herrscht. Ausgerufen wurde die Republik zuerst von Philipp Scheidemann und später von Karl Liebknecht am 9.11.1918 in Berlin. Nach 783 Jahren endete auch die Monarchie der Wittelsbacher in Bayern, gestürzt durch evolutionäre, angeführt von Kurt Eisner (USPD).

Alles bgeinnt am 7./8.11.1918 in München mit einem größtenteils friedlichen Umsturz, Bayerns letzter König Ludwig III. wird abgesetzt und flieht nach Salzburg. Unter seiner Regierung herrschten soziale Missstände und Versorgungsengpässe. Ludwig III. sprach nie öffentlich von einem Rücktritt, vielmehr wurde das Entbinden seiner Beamten vom Treueeid als solcher ausgelegt. Zwei Tage nach der Ausrufung der Republik gilt der Erste Weltkrieg als beendet und der Waffenstillstand wird unterzeichnet.

1919: In Berlin findet der Spartakusaufstand statt, blutige Straßenkämpfe gegen die provisorische Regierung, wobei Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet werden. Nach der Einführung des Frauenwahlrechts durch Kurt Eisner hofft dieser in Bayern anlässlich der Wahl zum verfassungsgebenden Landtag die Frauen für seine Partei zu gewinnen, was jedoch kläglich scheitert. Die USPD verliert überdeutlich mit nur 2,5% Stimmenanteilen, da die weibliche Wählerschaft die Konservativen wählt. Dies bedeutet bereits den „politischen“ Tod Eisners. Auf dem Weg zu seinem offiziellen Rücktritt wird er am 21.2.1919 von reaktionären Kräften erschossen. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die blutige Phase der Revolution.

München wird republikfeindlich und verändert sich. Zunehmend erhalten ab diesem Zeitpunkt die Nationalsozialisten mehr Einfluss.

Ernst Niekisch, Unterstützer Eisners in der Revolution, wird dessen Nachfolger. Die Auseinandersetzungen um die Frage „Räterepublik oder Parlamentarismus“ verschärfen sich und eine kleine Gruppe nicht-kommunistischer Dichter ruft am 7.4.1919 schließlich die 1. Räterepublik aus. Hierbei halten sich die Kommunisten zurück und die Revolution scheint am Ende zu sein.

Johannes Hoffmann, der damalige Ministerpräsident und Gegner einer Räteherrschaft, erkennt trotzdem die angespannte Lage in München. Die Landesregierung flieht nach Bamberg und regiert ab diesem Zeitpunkt von dort aus, wo die freiheitlich ausgerichtete „Bamberger Verfassung“ entsteht. Hoffmann versucht anschließend mit dem Palmsonntagsputsch das Volk wieder für sich zu gewinnen, dieser scheitert und die Kommunisten erkennen, dass das Volk für eine neue politische Ordnung kämpft.

Es entsteht für sehr kurze Zeit die zweite Räterepublik. Die Endphase der Revolution fordert auf beiden Seiten große Opfer, da Hoffmann erfolglos versucht, die Räterepublik mit militärischer Hilfe aus Berlin zu bekämpfen. Nach heftigen Kämpfen und Massakern am 17.4.1919 wird die Revolution am 1. bis 3.5.1919 von Regierungstruppen und Freikorps äußerst blutig beendet. Es kommt zu einer einwöchigen Terrorherrschaft in München.

Insgesamt kann man somit von vier Teilrevolutionen sprechen, so die These von Herrn Frank: Die erste beginnt am 7.8.1918 mit dem Aufstand auf der Theresienwiese. Die zweite, und damit blutige Phase der Revolution, wird ausgelöst durch die Ermordung Kurt Eisners. Der dritte Teil der Revolution erfolgt durch die Ausrufung der ersten bayerischen Räterepublik, die vierte Phase schließt mit Niederschlagung der kommunistischen Räterepublik.

Die drei großen Säulen der Revolution waren Arbeiter, Bauern und Soldaten. Gemeinsame Zielsetzungen bestanden darin, den Krieg zu beenden, Sicherheit für die Bevölkerung wieder herzustellen und die Monarchie zu beseitigen. Die Angst der Kirche bestand vor allem im Machtverlust, Bauern fürchteten eine Verstaatlichung ihres landwirtschaftlichen Besitzes, Soldaten waren kriegsmüde. Eine Räterepublik wurde von weiten Teilen abgelehnt.

Die Parteienlandschaft veränderte sich folgendermaßen: Linke Parteien spalteten sich. Die SPD und die USPD vereinigten sich erst 1922 wieder. Bereits 1918 entstand die BVP (Bayerische Volkspartei). Die 1919 gegründete DAP wurde schließlich 1920 zur NSDAP.

Am Ende seines Vortrags zieht Herr Frank folgendes Resümee:

Positive Auswirkungen der politischen Umwälzung waren unter Anderem die Beseitigung der Monarchie und des Adels sowie die Einführung des Acht-Stunden-Tags, das Ende der kirchlichen Schulaufsicht und die erstmalige Einführung des Frauenwahlrechts. Damit entstand am Ende eine parlamentarische Demokratie in Bayern, die jedoch sehr bald von nationalistischen, rechten Kräften bedrängt wurde. München entwickelte sich in dieser kurzen Zeitspanne von einer Stadt der Freiheit zu einer Stadt der „Bewegung“ mit antiliberalen Zügen. Somit wurden durch die revolutionären Phasen Voraussetzungen geschaffen, die die Nationalsozialisten erstarken ließen. Die linke Revolution (und deren blutige Niederschlagung) führten letzten Endes auch dazu, dass republikfeindliche Kräfte in München ermutigt wurden.

Wir danken Herrn Frank für den detaillierten, informativen Vortrag.

Selina Heiligmann, Vanessa Saule und Johanna Bruckner, Q11

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Georg Gerhardt (Schulleiter), Roland Frank (Referent), Barbara Gadau (Fachbetreuerin für Geschichte), Hans Joas (Hanns-Seidel-Stiftung), Heinrich Filbig (stellvertretender Schulleiter)